Mittwoch, 11. Januar 2012

Bericht aus Ghana - Januar 2012

Meine Lieben,
ich hoffe, es geht Euch allen gut. Hier also meiner zweiter Bericht aus Takoradi, per Mail und weniger offiziell als mein Weihnachtsrundbrief.
Ich habe mich hier gut eingelebt und meine Routine gefunden, was den Alltag erleichtert. Es gibt immer wieder kein Wasser; vor Weihnachten waren wir eine Woche ohne Wasser, aber wir jetzt haben jetzt zum Glück einen Wassertank mit Pumpe, so dass wir einen Wasservorrat anlegen können, sehr angenehm und ein großer Vorteil, den viele hier nicht haben. Ja, auf den ersten Blick ist es ist schon verwunderlich, wie mir jemand von euch geschrieben hat, dass es hier Mobiltelefon und Internet gibt, aber kein Wasser oder geregeltes Abwassersystem. Wasser müsste es im tropischen Takoradi, wo es auch in der Trockenzeit von Dezember bis Ende Januar immer wieder regnet, eigentlich genügend geben, denke ich mir zumindest. Richtig guten Einblick in solche Dinge habe ich noch nicht und ist sicher auch nicht so einfach zu bekommen. Sagen kann ich folgendes: Die Jahreszeiten und Regenfälle sind auch hier an der Küste genauso wie im trockenen Norden von Ghana längst nicht mehr so berechenbar wie früher. So hat es in der sog. Kleinen Regenzeit von Oktober bis November dieses Jahr sehr wenig geregnet, aber während der „Großen Regenzeit“ von Juni bis August, der „Großen Regenzeit“ sehr viel und außergewöhnlich heftig, so dass hier wieder viele Hütten unter Wasser standen, was früher fast nie vorkam. Ich denke, es fehlt einfach an richtiger Planung und Geld für den Aufbau eines funktionierenden Wassersystems. Dazu kommt, dass allein in Effiakuma, dem großen Armenviertel in meiner Nachbarschaft, unglaublich viele verschiedene Stämme und Bevölkerungsgruppen aus verschieden Landesteilen von Ghana, aber auch aus den angrenzenden Ländern wohnen. Sie sind Christen verschiedenster Konfessionen, vor allem vieler Freikirchen, Moslems oder Anhänger von Naturreligionen. Sie leben friedlich zusammen, aber alle Gruppen haben ihre eigenen zahlreichen „Ober- und Unterchiefs“, die alle ihr eigenes „Süppchen kochen“, und immer noch sehr, sehr wichtig sind! Ich weiss nicht, wie man es schaffen kann, diese vielen verschiedenen Gruppen, Sitten, Meinungen und vor allem auch die vielen Chiefs unter einen Hut zu bringen, um z. B. ein besseres Drainagesystem für das Abwasser zu organisieren. Versprechungen von Abgeordneten der Regierung in der fernen Hauptstadt Accra etwas zu verbessern, gibt es natürlich nicht wenige, aber sind eben seit vielen Jahren Versprechungen geblieben….Wer kann denn schon großes Interesse haben, dass die Menschen in Effakuama Wasser haben, während man mit Handys und Internet natürlich Geld machen kann. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, wie die Leute es fertig bringen, Einheiten für ihr Handy zu kaufen, obwohl sie entweder nichts oder nur wenig verdienen. Auch einfaches Essen ist hier wirklich nicht billig, im Verhältnis zum Einkommen sicher sehr viel teurer als bei uns. Es besteht vor allem aus reichlich Kohlehydraten, verschiedene Arten von gekochten „Klumpen“ aus Mais, Maniok und Yam, genannt Fufu, Banku, Kenke usw., die unterschiedlich, aber immer ziemlich mühselig zubereitet werden und für mich alle ziemlich gleich scheußlich schmecken (aus den zuletzt genannten Gründen weigere ich mich nach wie vor etwas in dieser Richtung zu kochen). Aber Geschmäcker sind eben verschieden. Nichtsdestoweniger ist das Essen für viele sehr einseitig, bestehend hauptsächlich aus den genannten Pampen (Reis wird auch sehr gerne gegessen, aber ist schon relativ teuer) mit wenig „Stew“ (= verschiedene Soßen mit etwas Fleisch, Fisch oder Ei; ich nehme immer am meisten Stew, wenn mir der Stew schmeckt), sehr wenig Gemüse oder Obst (wenn hauptsächlich Orangen, weil die am günstigsten sind). Ich bin sehr froh, dass ich mein eigenes Essen kochen kann. Aber zurück zum Thema „Handys und Internet“. Es gibt praktisch kein Festnetz und da ist es natürlich schon sehr hilfreich, dass man sich über Mobiltelefon verständigen kann. Und Internet ist eben wie Fernsehen ein faszinierendes Medium, nicht nur für uns. Einer meiner üblichen Wege durch das Viertel führt an einer abscheulich dunklen winzigen Hütte vorbei mit dem tollen Namen „Internetcafe“, vollgestopft mit riesigen Uralt-PCs, vor denen Jugendliche hocken und Spiele machen oder surfen. Für den Besitzer ist eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, für die vielen jungen Männer ohne Arbeit bis auf paar Gelegenheitsjobs, eine Möglichkeit ihre Zeit zu verbringen.
Am 24. Dezember war ich bei einer der moslemischen Gemeinden von Effiakuma zu einem Vortrag für Frauen eingeladen. Ich hatte das Thema „The female sex ogans and cycle“ gewählt, weil ich mir sicher war, dass es die Frauen interessiert und viele Frauen zu wenig über ihren Körper Bescheid wissen. Der Sheik dieser Gemeinde ist mein Patient, freundlich und aufgeschlossen und ich hatte alle Freiheit zu sagen, was ich wollte, natürlich mit dem nötigen Respekt. Männer sollten übrigens auch zu solchen informativen wie auch religiösen Lehrveranstaltungen kommen, aber nehmen im Gegensatz zu den Frauen die Gelegenheit zum Bedauern der geistlichen Führer sehr (!) viel weniger wahr als die Frauen. Die Männer kommen zum Gebet in die Moschee und damit ist genug. Weil viele Frauen kaum Englisch sprechen, übersetzte wieder der Krankenpfleger, Ramani, dessen Ausbildung der Verein finanziert hat. Es war sehr spannend für mich und erfolgreich, weil sich die ca. 50 Frauen aktiv beteiligten und viele Fragen stellten. Überraschend für mich war, dass die Frauen am meisten Fragen zur Menses stellten. Es wurde klar, wie viel Unsicherheit und auch Ängste es bezüglich der Monatsblutung gibt und am kommenden Samstag werden wir unsere Fragestunde fortsetzten. Beim Thema „Weibliche Beschneidung“ schaltete sich der Scheik ein, nachdem ich darauf hingewiesen hatte, dass dies in Ghana per Gesetz verboten sei und nach meinem Wissen nach auch nicht vom Koran gefordert werde. Er meinte in etwa, wie mir Ramani später übersetzte, es sei vom Koran nicht ausdrücklich vorgeschrieben, aber man wolle eben den Frauen mit der Beschneidung der Klitoris helfen, ihren sexuellen Druck („pressure“) zu erleichtern. Na ja! Ramani, der übrigens überzeugter Moslem ist, meinte dazu, im Koran stehe zu allem und jedem etwas in sehr ausführlicher Beschreibung, aber nicht zu weiblicher Beschneidung und der Sheik müsse seiner Meinung mit einer solchen Aussage Rücksicht auf die ältere Generation nehmen. Ich habe jedenfalls dadurch erfahren, dass viele der der Frauen in meinem Alter und bis mind. ca. 10 Jahre jünger eine Beschneidung der Klitoris hinter sich haben. Einige äußeren sich darüber ziemlich erbost, während viele andere das Thema verständlicherweise lieber totschweigen. Gott sei Dank wird weibliche Beschneidung seit einigen Jahren zumindest im Süden wirklich fast nicht mehr durchgeführt und auch im Norden immer seltener.
Unsere Fragestunde war übrigens erfolgreich und notwendig, erstaunlich wie viele Fragen die Frauen haben. Ich könnte noch viel erzählen, aber sende den Brief lieber bald möglichst ab, bevor das Internet wieder streikt wie so oft in diesen Tagen. Ich werde einige Fotos an den 2 Vorsitzenden unseres Vereins senden; er wird sie dann auf die Website von Ghana-Freunde e.V. bringen. Ich hoffe, ich schaffe es; Ihr kennt meine spezielle „Begabung“, was Technik betrifft und zurzeit habe ich niemanden, der mir dabei helfen kann.
Ich wünsche Euch eine gute Zeit.
Mit vielen Grüßen Eure Anne


PS Ich kann, wie schon im Weihnachtsrundbrief geschrieben, aus Platzgründen noch nicht alles Mitgebrachte nutzen, aber ich bin froh um alles, was ich habe, angefangen über mein Klopapier, Papier und Stifte, die Aldi-Olivenöl-Flaschen, Werkzeug, Bücher und Bälle für die Kinder bis zu einem Tisch aus Kriegenbrunn, auf dem ich jeden Tag mein Gemüse schnipsle. DANKE!

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